Nahtod-Erfah­rung ist beim HSV nichts Neues. Wer sich für den Bun­des­liga-Ältesten begeis­tert, musste schon manch mor­bide Saison über­stehen. Doch seine Fans können jetzt noch einen Schritt wei­ter­gehen – dank eines viel­leicht erst auf den zweiten Blick ver­lo­ckenden Ange­bots: Bald gibt es den HSV-Friedhof. Treue bis in den Tod – beim HSV kann dieses Ver­spre­chen ein­ge­löst werden.

Vor ein paar Tagen war nach rund zwei Jahren Pla­nung Spa­ten­stich auf dem Friedhof. In einer Ecke des Haupt­fried­hofs Altona deutet ein leicht ent­frem­detes Fuß­balltor auf die HSV-Grab­stätte hin. Für manche mag es das Tor zur Hölle sein, doch für den, der sich dafür ent­scheidet, ist es sicher der Him­mels­pforte nach­emp­funden. Wir haben für jeden Geschmack und jeden Geld­beutel etwas: Steh­plätze und Vip-Ange­bote“, sagt Lars Rehder. Er ist Fried­hofs­gärtner und hatte die Idee mit dem Fan­friedhof. Aus Gesprä­chen auf dem Friedhof mit Besu­chern ent­stand dieser Gedanke, den der HSV zum Glück auf­ge­griffen hat“, sagt Rehder. Der Friedhof ist nur 50 Meter vom Sta­dion ent­fernt. Näher kann der Fan seiner Liebe nach dem Tod kaum kommen.

Haupt­sache, die Bin­dung zum HSV bleibt

Schließ­lich ist es in Deutsch­land ver­boten, Asche über das Spiel­feld zu streuen, wie es in Hol­land und Eng­land mög­lich ist. Oder sich unter dem Elf­me­ter­punkt in einer Urne bei­setzen lassen, wie in Eng­land. Wir wurden immer mal wieder nach so etwas gefragt und jetzt können wir unseren Fans ein Angebot machen“, erklärt Vor­stands­mit­glied Chris­tian Rei­chert. In Europa ist der HSV-Friedhof ein­malig. In Argen­ti­nien können sich die Fans der Boca Juniors schon seit ein paar Jahren auf dem ver­eins­ei­genen Friedhof bestatten lassen. Bei der Ham­burger Ruhe­stätte ist das Grab­feld im Halb­rund ange­ordnet, leicht erhöht und einem Sta­dion nach­emp­funden. Wie eine Tri­büne“, sagt Rehder. In der Steh­platz­gruft finden rund 20 Urnen mit gemein­samer Grab­platte Platz. Das Vip-Grab bietet dagegen deut­lich mehr Bein­frei­heit, auch für ganze Fami­lien. Bisher sind mir rund 30 Anfragen bekannt – auch HSV-Pro­mi­nenz ist dabei“, sagt Rehder. Und Vor­stands­mit­glied Rei­chert bekommt sogar täg­lich Anfragen. Man plane mit etwa 500 Grä­bern. Eines von ihnen will sich Horst Eber­stein reser­vieren. Er ist 78 Jahre und hat mehr als 52 Jahre ehren­amt­lich für den HSV gear­beitet. Im Moment wohnt er in Nor­der­stedt. Hier haben meine Frau und ich keine großen Ver­bin­dungen, aber zum HSV schon und des­halb könnten wir uns vor­stellen, auf dem HSV-Friedhof beer­digt zu werden“, sagt Eber­stein. Eine Raute wollen sie jedoch nicht auf dem Grab­stein. Und ob er Steh­platz oder Vip wählt, weiß der gebür­tige Ber­liner noch nicht. Haupt­sache, die Bin­dung zum HSV bleibt.

Der HSV wird mit seinem Friedhof sakral, was der Fan natür­lich längst wusste. Um reli­giöse Semantik war der Fuß­ball nie ver­legen. Jetzt dient der HSV auch noch als Brücke zwi­schen Dies­seits und Jen­seits: End­sta­tion Raute. Die Liebe zum Verein dauert ewig­lich. Daran glauben auch ungläu­bige Fans. Mit dem HSV-Friedhof geht der Fuß­ball einen Schritt weiter Rich­tung Ersatz­re­li­gion. Sinn­stif­tend und trost­spen­dend.

Für Probst Horst Gorski ist der HSV-Friedhof grenz­wertig, was sicher nicht nur daran liegt, dass er eigent­lich lieber zum FC St. Pauli geht. Er finde es prin­zi­piell richtig, dass auf einem Grab nach­voll­ziehbar wird, wofür der Ver­stor­bene stand. Pro­ble­ma­tisch wird es, wenn der Fuß­ball an die Stelle Gottes tritt“, sagt Gorski. Doch das will er nie­mandem unter­stellen. Viel besorg­nis­er­re­gender für ihn ist die Tat­sache, dass immer mehr Men­schen ohne Trau­er­feier sang- und klanglos beer­digt werden. Das kann bei einer HSV-Trau­er­feier nicht pas­sieren. Bestat­ter­meister Michael Car­buhn hat sich dar­über bereits Gedanken gemacht und schon die Lizenz für eine HSV-Bestat­tung beim Verein erworben. Alles, was die Ange­hö­rigen wollen und was geset­zes­kon­form ist, kann gemacht werden“, sagt Car­buhn. So könne man auch mit Fuß­ball­schuhen und Trikot im HSV-Sarg unter die Erde gebracht werden. Natür­lich fei­er­lich zu Fan­hymnen. Selbst eine Grab­rede von Rei­chert könnte es geben. Schließ­lich ist der Tod kein Monopol der Kirche“, sagt Rei­chert, der sich selbst vor­stellen könnte, auf dem HSV-Friedhof beer­digt zu werden. Jedoch nicht mit Trikot und Fahne, son­dern nur mit einer dezenten Raute auf dem Grab­stein“. Den Sarg mit Raute gibt es bun­des­weit – auch für Beer­di­gungen außer­halb des HSV-Fried­hofs.

Angst vor einer Ent­wei­hung muss auf dem rest­li­chen Friedhof nie­mand haben, ver­si­chert Rehder: Es wird alles wür­de­voll ablaufen.“ Probst Gorski müsste sich ein wenig über­winden, aber auch er würde eine HSV-Beer­di­gung durch­führen. Ich würde mich in einem Gespräch über die Beweg­gründe erkun­digen und wenn ich sicher bin, dass ich nicht für eine Show miss­braucht werde, würde ich es machen.“ Genauso sei es bei einer Fuß­ball­taufe. Die gibt es beim HSV noch nicht. Aber in der Kapelle der Schalke-Arena kann man seinem Kind Gottes Segen geben. Auch im Ber­liner Olym­pia­sta­dion gibt es eine Kapelle, in der schon Taufen statt­fanden und Paare getraut wurden.

Der Fuß­ball wird also zum ganz­heit­li­chen Erlebnis – von der Taufe bis zum Tod. Für die Trau­er­feier sollten die Fans aller­dings den Buch­titel des Fuß­ball­jour­na­listen Chris­toph Bier­mann beachten: Wenn du am Spieltag beer­digt wirst, kann ich leider nicht kommen.“

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