
Wer sind die Neuen?
„Außer Fabi könnt ihr alle gehen!“ Während der blamablen Relegationsspiele gegen Wiesbaden war die Stimmung bei Arminia Bielefeld auf dem Nullpunkt. Immerhin hörte die Vereinsführung auf die Fans: Vom Stammpersonal der vergangenen Saison ist keiner mehr da – außer Arminia-Ikone Fabian Klos. Genau so unfreiwillig bereichern Jahn Regensburg und der SV Sandhausen die 3. Liga. Personell blieb auch hier kein Stein auf dem anderen. Stichwort: Neuanfang.
Vorfreude herrscht dagegen in Lübeck, Münster, Ulm und Unterhaching. Bei allen Aufsteigern blieb das Grundgerüst der erfolgreichen Regionalliga-Saison beisammen. Am größten ist die Euphorie wohl beim SC Preußen, tagelang hatte die Stadt nach dem feststehenden Aufstieg Kopf gestanden. Zwischen 2011 und 2020 gehörte der SCP schon einmal zum Liga-Inventar. Und so soll es werden, wie es war.
Welche Klubs spielen oben mit?
Die Absteiger wollen Aufsteiger sein, klar. Angesichts von zusammengerechnet rund 50 Neuzugängen gestaltet sich eine vernünftige Prognose aber schwierig. Am ehesten scheint Sandhausen das Zeug zu haben, immerhin begeisterte der SVS unter anderem Rouwen Hennings (zuletzt Düsseldorf) und Alexander Mühling (Kiel) für den Karriereausklang am ruhigen Hardtwald. Mehr Krach wird es in Bielefeld geben: 9.100 verkaufte Dauerkarten können beides sein – Faustpfand und Hypothek. Zur Erinnerung: Außer Fabi durften kürzlich alle gehen.
Dynamo Dresden wollte sich längst wieder Zweitligist nennen, muss nach dem verpatzten Schlussspurt der Vorsaison allerdings noch ein Ründchen drehen. Das Ziel bleibt unverändert, der Kader passt trotz des Verlustes von Topscorer Ahmet Arslan – in Sachen Marktwert übertrifft nur Dortmund II die 7,6 Millionen der SGD. Aber: Das war im vergangenen Jahr nicht anders. Klubs wie Saarbrücken, Ingolstadt, Mannheim und 1860 München haben ebenfalls Ambitionen, dazu dürfte sich die obligatorische Überraschungsmannschaft gesellen. Grüße nach Elversberg.
Wer sind die Abstiegskandidaten?
In den vergangenen fünf Jahren wurde stets mindestens einer der Aufsteiger wieder in die Regionalliga-Tristesse entlassen. Könnte sich ändern. Münster, Unterhaching und Lübeck wissen aus der Vergangenheit, wie es in der 3. Liga zugeht. Dazu wurde teils namhaft aufgerüstet: Mit der Verpflichtung von Hanno Behrens und dessen Erfahrung aus 210 Zweitligaspielen gelang etwa Lübeck ein Coup. Ulm ist erstmals seit 22 Jahren im Profifußball dabei, hat mit Lenn Jastremski (Graz), Leonardo Scienza (Magdeburg) oder Felix Higl (Osnabrück) aber ebenfalls reichlich Erfahrung aus erster, zweiter und dritter Liga verpflichtet.
Heißt auch: Wer von den gestanden Drittligisten zuletzt schon unten rumgekrebst ist, muss nun umso mehr zittern. Halle hat frühzeitig personell aufgestockt, bleibt aber auch mit den erfahrenen Dominic Baumann (Zwickau) und Tom Baumgart (Aue) ein Abstiegskandidat. In Duisburg und Essen scheint vieles möglich, bei einem schlechten Saisonstart auch der Abstiegskampf. Hinzu kommen die Zweitvertretungen aus Freiburg und Dortmund. Je nachdem, was die Profis aus der Bundesliga so an Spielern abgreifen, könnte es für ganz oben oder auch ganz unten reichen.
Wer hat das Zeug zur Überraschung?
Verl? Wen juckt Verl? Im vierten Jahr 3. Liga dann doch so einige. Denn der SC steht für Konstanz, konnte in diesem Jahr erstmals den großen Personalumbruch vermeiden. Lediglich Trainer Michél Kniat zog nach Bielefeld weiter. Heißt: Anders als viele Konkurrenten darf der neue Coach Alexander Ende in Verl auf einen eingespielten Stamm setzen. Zurück in der umgebauten Sportclub-Arena könnte der gewohnte Offensivfußball Ausflüge in das obere Tabellendrittel bescheren. Denkbar ist das auch in Essen und Aue. RWE hat durch Zugänge wie Angreifer Moussa Doumbouya (Ingolstadt) punktuell Qualität hinzugewonnen, kann sich vor allem aber auf die Fanunterstützung an der Hafenstraße verlassen. Aue dagegen hat eine interessante Mischung aus Routiniers (Marcel Bär, Mirnes Pepic) und weniger bekannten Talenten (Vukancic, Lord) verpflichtet. Könnte hinhauen.
Für die leidgeprüften Fans von 1860 München gab es die erste – negative – Überraschung dagegen schon vor dem Saisonstart: einen saftigen Umbruch. 18 Spieler weg, darunter Stammkräfte wie Angreifer Marcel Bär (Aue) und Innenverteidiger Semi Belkahia (Bielefeld). Dass die Testspielergebnisse nicht so prall waren? Geschenkt. Dass sich Sechzig im Landespokal gegen Kreisligist Stockheim schwertat? Bedenklich. Dass München am Ende wieder nichts mit dem Aufstieg zu tun haben wird? Vielleicht gar keine Überraschung mehr.
Wie geht es der Liga?
Eine Meldung wert: In der vergangenen Saison hat kein Drittligist die Segel aufgrund finanzieller Schieflage streichen müssen. Auch schön: Die TV-Verträge bringen den Klubs künftig mehr Geld, statt knapp 900.000 werden es rund 1,3 Millionen pro Saison sein. Und trotzdem bleibt die Liga ein gefährliches Pflaster. Beispiel Duisburg: In den vergangenen Jahren eher Abstiegs- als Aufstiegskandidat, rief der MSV folgenden Plan aus: „2. Bundesliga in 2025.“
Nur: Die Transferaktivitäten unterstreichen das nicht unbedingt. Zwar konnte mit Pascal Köpke ein namhafter wie verletzungsanfälliger Stürmer aus Nürnberg verpflichtet werden, doch ging dafür Talent Julian Hettwer zu Dortmund II. Es wirkt also eher, als sei der ambitionierte Plan einem Mangel an Alternativen geschuldet. Denn gerade für die größeren Klubs wie Duisburg, aber auch 1860 München, Dresden oder Bielefeld, ist das solide und zugleich ambitionierte Wirtschaften in Liga 3 ein Ding der Unmöglichkeit. Die Liga selbst profitiert indes von den großen Namen: Der Zuschauerrekord von 3.115.602 aus der vergangenen Saison könnte erneut fallen.
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