
An einer Stelle in diesem Film sagt Erwin Kostedde: „In Deutschland muss man so sein wie Berti Vogts, dann kommt man gut durch.“ Das ist kein schöner Satz. Umso treffender beschreibt er ein Gefühl, das den ehemaligen Mittelstürmer Kostedde sein Leben lang nicht verlassen hat: dass er, so sehr er sich auch bemüht, irgendwie nicht dazugehört zu diesem Land, seinem Fußball und seiner Nationalmannschaft. Auf dem Weg zu seinem zweiten Länderspiel wird Kostedde rassistisch beleidigt und spielt danach „wie ein Eimer Wasser“. Kurz darauf ist seine Nationalmannschaftskarriere bereits wieder vorbei.
„Schwarze Adler“ erzählt aber nicht nur diese Geschichte, sondern auch die von Jimmy Hartwig, Steffi Jones, Gerald Asamoah und vielen anderen (National-)Spielern mit dunkler Hautfarbe, in Schwarz-Weiß und meist formstreng aus der Perspektive der Protagonisten, was der Dokumentation eine seltene Eindrücklichkeit verleiht. Ergänzt werden die persönlichen Darstellungen durch historische Fundstücke, die zum Teil so ungeheuerlich sind, dass man sich fragt, ob man das jetzt gerade tatsächlich gesehen und gehört hat. Wie etwa, als im 1957er Dokumentarfilm „Toxi lebt anders“ eine junge Mutter gefragt wird, ob sie ihr Kind, dessen Vater ein inzwischen von ihr getrennt lebender schwarzer US-Besatzungssoldat ist, nicht lieber zur Adoption freigeben will.
Der größte Idiotenchor der Welt
Weniger abgründig, jedoch ebenso abenteuerlich ist es, wenn „Sportschau“-Legende Ernst Huberty die erste dunkelhäutige Torschützin des Monats mit den Worten begrüßt: „Schön und kaffeebraun sind alle Frauen aus Kingston Town. Hier ist der lebende Beweis – Beverly Ranger.“ Beide Schnipsel illustrieren auf unterschiedliche Weise das gesellschaftliche Klima, in dem Pioniere wie Kostedde und Hartwig sich behaupten mussten, angewiesen auf ihr eigenes dickes Fell und Förderer wie jenen Jugendtrainer Jimmy Hartwigs, der einem entrüsteten Vater auf die Frage, warum denn der Schwarze und nicht sein Junge auf dem Platz stehen würde, antwortet: „Weil er besser ist.“
Was alle Spielerinnen und Spieler in diesem Film eint: Keinen von ihnen lassen die Anfeindungen kalt. Ganz unterschiedlich ist hingegen ihr Umgang damit. Während bei jemandem wie Erwin Kostedde eine (allemal verständliche) Bitterkeit zu spüren ist, versuchen andere mit rustikalem Humor den Spieß umzudrehen. So dirigiert Hartwig im Hamburger Volksparkstadion „den größten Idiotenchor der Welt“ und Anthony Baffoe entgegnet rassistischen Beschimpfungen gerne mal mit dem Bonmot: „Du kannst auf meiner Plantage arbeiten.“ Fraglich, ob diese Botschaften dort ankommen, wo aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin Hopfen und Malz verloren ist, doch gut für die innere Hygiene sind sie allemal.
Das angebliche weiße Ideal
Die Idee zu diesem Film kam dem Regisseur Torsten Körner übrigens im Supermarkt. Als Wäscheverantwortlicher der Familie war er auf der Suche nach einem möglichst großen Karton Waschpulver und stieß dabei auf ein XXL-Produkt der Marke „Persil“. Darauf pries ein blonder Hüne mit Bundesadler und Nationaltrikot die „Tiefenrein Technologie“ und empfahl das Pulver als bevorzugtes Waschmittel der Nationalelf. Was Körner auf den Gedanken brachte, warum eigentlich immer noch marketingtechnisch als weiß gepriesen wird, was doch in Wahrheit schon lange nicht mehr blütenweiß ist. Und was das in der Vergangenheit und, ja, auch in der Gegenwart für jene Akteure bedeutet (hat), die dem angeblichen weißen Ideal nicht entsprechen. Denn es wäre ein Trugschluss, dass es dem Rassismus in Deutschland in den letzten Jahrzehnten an den Kragen gegangen wäre. Er tarnt sich höchstens geschickter als früher.
„Schwarze Adler“ von Torsten Körner ist ab dem 15. April bei Amazon Prime zu sehen, die Free-TV-Premiere ist am 18. Juni im ZDF.
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